Einige Menschen wissen, wie der
höchste Gipfel jedes Landes heißt, Sie haben von den meisten Bergen nie etwas
gehört. Manche Menschen können ausgezeichnet kopfrechnen, während in Ihrem Hirn
nur die Zahlen verschwimmen. Wieder andere sprechen fünf Sprachen, während Sie schon
Probleme haben sich auf Hochdeutsch auszudrücken. Was unterscheidet diese
Menschen von Ihnen? Diese Menschen haben dieses Wissen und diese Fähigkeiten
erlernt. Aber wie? Wie erwirbt man mit möglichst wenig Aufwand neues Wissen? Nachfolgend
werden fünf wichtige Mechanismen erläutert, die die Arbeitsweise Ihres Gehirns
effektiv nutzen - und Sie leichter Lernen lassen.
1.
Lernen mit Gefühl
„Das Hirn ist so, wie man es mit
Begeisterung benutzt [1].“ Dieses Zitat des Neurobiologen Gerald Hüter spielt
darauf an, dass Gelerntes besser haften bleibt, wenn man emotional beteiligt
ist. Brennt man vor Neugier für ein Thema, saugt man jede Information dazu auf
wie ein Schwamm. Das pokémonbegeisterte Kind kann jedes der vielen Hundert
Figuren samt Weiterentwicklungen benennen, weil es diese Welt liebt. Und dass obwohl
die Informationen zu den einzelnen Pokémons zusammenhangslos auf einzelnen
Karten stehen.
Für welche Themen begeistern Sie
sich? Möglicherweise sind Sie ein Fußballfan und kennen jeden Spieler der
Bundesliga und den aktuellen Tabellenstand?
Deshalb lernen Sie möglichst das,
was Sie begeistert. Wenn das nicht möglich ist, suchen Sie Aspekte, die Ihnen am
jeweiligen Lernthema gefallen. Sie tun sich dann nicht so schwer.
2.
Lernen jeden Tag
Beim Lernen ändert sich die
Stärke der Synapsen, der Verbindungsstellen zwischen den Neuronen. Laut dem
Neurobiologen Prof. Spitzer sind sie wie Trampelpfade in einer Schneelandschaft.
Nur laufen im Gehirn nicht Leute durch den Schnee, sondern Impulse über
Verbindungen zwischen Nervenzellen. Je öfter dies geschieht, desto besser
lernen wir [2].
Beschäftigen wir uns mit einer
Sache jeden Tag, wird aus dem Trampelpfad eine „Daten“-Autobahn. Wir speichern
dann leicht neues Wissen zum Lernthema ab und können es ebenso schnell wieder
abrufen. Wer während eines mehrwöchigen Sprachaufenthalts nur Englisch spricht,
der wird, auch wenn es ihm anfangs noch schwer fällt, nach ein paar Wochen keine
Schwierigkeiten haben, sich in dieser Sprache auszudrücken. Er hat ja jeden Tag
geübt.
3.
Lernen mit allen Sinnen
Was glauben Sie, welche Informationen
behalten Sie länger? Wenn Sie einen Vortrag über europäische Bäume anhören oder
wenn Sie im Herbst Blätter sammeln, diese bestimmen und eine Sammlung
getrockneter Blätter anlegen?
Es lohnt sich also Gedanken zu
machen, wie man einen Lernstoff am besten mit allen Sinnen aufnimmt und aktiv
Wissen erwirbt. Spitzer empfiehlt zum Beispiel, statt in Geschichte sperrige
Zahlen und Fakten auswendig zu lernen, sollten Schüler besser Szenen aus dem
Leben von Karl dem Großen nachspielen. Das vergessen sie nie wieder und
nebenbei merken sie sich auch noch Jahreszahlen [2].
4.
Lernen in Zusammenhängen
Versuchen Sie folgende
Buchstabenfolge auswendig zu lernen:
BMIDRLGUNOUEFABNDKSZE
Geht es so nicht viel leichter?
BMI
DRLG UNO UEFA BND KSZE
Aus einer Reihe ungeordneter
Buchstaben wurden plötzlich mehrere kurze Buchstabenfolgen, die einen Sinn
ergeben. Unser Gehirn sucht nach Zusammenhängen, Mustern und Regeln - auch wenn
keine da sind. Es wird dadurch gelernt, dass wir Beispiele verarbeiten [...] und
aus diesen Beispielen die Regeln selbst produzieren [3]. So können wir aus
einem unbekannten Verb eine Form der Vergangenheit bilden. Formulieren Sie den folgenden
Satz um:
Die Zwerge quangen.
Die Zwerge haben gestern ...?
Kamen Sie auf „gequangt“? Aus
vielen Tausend Beispielen hat Ihr Gehirn die entsprechende Regel abgeleitet und
diese Form gebildet.
Die Neigung des Gehirns
Verbindungen zu ziehen, nutzen auch Gedächtniskünstler, die unzusammenhängende Worte
zu einer Geschichte verbinden und so unzählige Begriffe behalten können.
Um diesen Effekt zu nutzen, müssen
Sie keine Mnemotechnik erlernen, es hilft schon, wenn Sie über den Lernstoff
nachdenken, ihn kategorisieren und versuchen einen Überblick zu gewinnen, zum
Beispiel mit einem Mindmap.
5.
Lernen durch Fragen
Wie viele Beine hat ein Huhn?
Haben Sie die Frage beantwortet?
Die meisten Menschen tun das. Wie die 2011 verstorbene Managementtrainerin Vera
F. Birkenbihl schrieb, öffnen Fragen den Geist. Wenn jemand uns eine Frage
stellt, reagieren wir reflexartig und überlegen eine Antwort [4].
Diesen Effekt kann man auch für
das Lernen nutzen. Warum nicht für die bevorstehende Prüfung selbst eine Arbeit
mit möglichen Fragen erstellen. Oder machen Sie doch ein Quiz mit den neuen Vokabeln
und überlegen, was zum Beispiel das englische Wort „learning“ auf Deutsch
heißen könnte?
Die Antwort ist „Lernen“. Sie
meinen, das ist zu einfach, weil das deutsche und das englische Wort denselben
Stamm haben? Wäre es nicht spannend herauszufinden, welche Wörter der beiden
Sprachen sich noch ähneln?
Goethe sagte: „Überhaupt lernt
niemand etwas durch bloßes Anhören, und wer sich in gewissen Dingen nicht
selbsttätig bemüht, weiß die Sache nur oberflächlich.“ Gehen Sie es an: Nutzen
Sie die vorgestellten Lernmechanismen ihres Gehirns und werden Sie zum
Wissensfresser.
Literatur:
[1] Vortrag von Gerald Hüther:
Ohne Gefühl geht gar nichts! Worauf es beim Lernen ankommt. gehalten am 20. Juni
2009 in Freiburg
[2] Interview mit Manfred
Spitzer, TV Hören und Sehen, Heft 18, 2005
[3] Manfred Spitzer: Lernen -
Gehirnforschung und die Schule des Lebens. Spektrum Akademischer Verlag
Heidelberg 2002, S. 76
[4] Vera F. Birkenbihl: Trotzdem
Lehren. Gabal Verlag Offenbach 2004, S.70
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