Montag, 12. Mai 2014

Die Mechanismen effektiven Lernens

Einige Menschen wissen, wie der höchste Gipfel jedes Landes heißt, Sie haben von den meisten Bergen nie etwas gehört. Manche Menschen können ausgezeichnet kopfrechnen, während in Ihrem Hirn nur die Zahlen verschwimmen. Wieder andere sprechen fünf Sprachen, während Sie schon Probleme haben sich auf Hochdeutsch auszudrücken. Was unterscheidet diese Menschen von Ihnen? Diese Menschen haben dieses Wissen und diese Fähigkeiten erlernt. Aber wie? Wie erwirbt man mit möglichst wenig Aufwand neues Wissen? Nachfolgend werden fünf wichtige Mechanismen erläutert, die die Arbeitsweise Ihres Gehirns effektiv nutzen - und Sie leichter Lernen lassen.

1. Lernen mit Gefühl
„Das Hirn ist so, wie man es mit Begeisterung benutzt [1].“ Dieses Zitat des Neurobiologen Gerald Hüter spielt darauf an, dass Gelerntes besser haften bleibt, wenn man emotional beteiligt ist. Brennt man vor Neugier für ein Thema, saugt man jede Information dazu auf wie ein Schwamm. Das pokémonbegeisterte Kind kann jedes der vielen Hundert Figuren samt Weiterentwicklungen benennen, weil es diese Welt liebt. Und dass obwohl die Informationen zu den einzelnen Pokémons zusammenhangslos auf einzelnen Karten stehen.
Für welche Themen begeistern Sie sich? Möglicherweise sind Sie ein Fußballfan und kennen jeden Spieler der Bundesliga und den aktuellen Tabellenstand?
Deshalb lernen Sie möglichst das, was Sie begeistert. Wenn das nicht möglich ist, suchen Sie Aspekte, die Ihnen am jeweiligen Lernthema gefallen. Sie tun sich dann nicht so schwer.

2. Lernen jeden Tag
Beim Lernen ändert sich die Stärke der Synapsen, der Verbindungsstellen zwischen den Neuronen. Laut dem Neurobiologen Prof. Spitzer sind sie wie Trampelpfade in einer Schneelandschaft. Nur laufen im Gehirn nicht Leute durch den Schnee, sondern Impulse über Verbindungen zwischen Nervenzellen. Je öfter dies geschieht, desto besser lernen wir [2].
Beschäftigen wir uns mit einer Sache jeden Tag, wird aus dem Trampelpfad eine „Daten“-Autobahn. Wir speichern dann leicht neues Wissen zum Lernthema ab und können es ebenso schnell wieder abrufen. Wer während eines mehrwöchigen Sprachaufenthalts nur Englisch spricht, der wird, auch wenn es ihm anfangs noch schwer fällt, nach ein paar Wochen keine Schwierigkeiten haben, sich in dieser Sprache auszudrücken. Er hat ja jeden Tag geübt.

3. Lernen mit allen Sinnen
Was glauben Sie, welche Informationen behalten Sie länger? Wenn Sie einen Vortrag über europäische Bäume anhören oder wenn Sie im Herbst Blätter sammeln, diese bestimmen und eine Sammlung getrockneter Blätter anlegen?
Es lohnt sich also Gedanken zu machen, wie man einen Lernstoff am besten mit allen Sinnen aufnimmt und aktiv Wissen erwirbt. Spitzer empfiehlt zum Beispiel, statt in Geschichte sperrige Zahlen und Fakten auswendig zu lernen, sollten Schüler besser Szenen aus dem Leben von Karl dem Großen nachspielen. Das vergessen sie nie wieder und nebenbei merken sie sich auch noch Jahreszahlen [2].

4. Lernen in Zusammenhängen
Versuchen Sie folgende Buchstabenfolge auswendig zu lernen:
     BMIDRLGUNOUEFABNDKSZE
Geht es so nicht viel leichter?
     BMI DRLG UNO UEFA BND KSZE
Aus einer Reihe ungeordneter Buchstaben wurden plötzlich mehrere kurze Buchstabenfolgen, die einen Sinn ergeben. Unser Gehirn sucht nach Zusammenhängen, Mustern und Regeln - auch wenn keine da sind. Es wird dadurch gelernt, dass wir Beispiele verarbeiten [...] und aus diesen Beispielen die Regeln selbst produzieren [3]. So können wir aus einem unbekannten Verb eine Form der Vergangenheit bilden. Formulieren Sie den folgenden Satz um:
Die Zwerge quangen.
Die Zwerge haben gestern ...?
Kamen Sie auf „gequangt“? Aus vielen Tausend Beispielen hat Ihr Gehirn die entsprechende Regel abgeleitet und diese Form gebildet.
Die Neigung des Gehirns Verbindungen zu ziehen, nutzen auch Gedächtniskünstler, die unzusammenhängende Worte zu einer Geschichte verbinden und so unzählige Begriffe behalten können.
Um diesen Effekt zu nutzen, müssen Sie keine Mnemotechnik erlernen, es hilft schon, wenn Sie über den Lernstoff nachdenken, ihn kategorisieren und versuchen einen Überblick zu gewinnen, zum Beispiel mit einem Mindmap.

5. Lernen durch Fragen
Wie viele Beine hat ein Huhn?
Haben Sie die Frage beantwortet? Die meisten Menschen tun das. Wie die 2011 verstorbene Managementtrainerin Vera F. Birkenbihl schrieb, öffnen Fragen den Geist. Wenn jemand uns eine Frage stellt, reagieren wir reflexartig und überlegen eine Antwort [4].
Diesen Effekt kann man auch für das Lernen nutzen. Warum nicht für die bevorstehende Prüfung selbst eine Arbeit mit möglichen Fragen erstellen. Oder machen Sie doch ein Quiz mit den neuen Vokabeln und überlegen, was zum Beispiel das englische Wort „learning“ auf Deutsch heißen könnte?
Die Antwort ist „Lernen“. Sie meinen, das ist zu einfach, weil das deutsche und das englische Wort denselben Stamm haben? Wäre es nicht spannend herauszufinden, welche Wörter der beiden Sprachen sich noch ähneln?

Goethe sagte: „Überhaupt lernt niemand etwas durch bloßes Anhören, und wer sich in gewissen Dingen nicht selbsttätig bemüht, weiß die Sache nur oberflächlich.“ Gehen Sie es an: Nutzen Sie die vorgestellten Lernmechanismen ihres Gehirns und werden Sie zum Wissensfresser.

Literatur:
[1] Vortrag von Gerald Hüther: Ohne Gefühl geht gar nichts! Worauf es beim Lernen ankommt. gehalten am 20. Juni 2009 in Freiburg
[2] Interview mit Manfred Spitzer, TV Hören und Sehen, Heft 18, 2005
[3] Manfred Spitzer: Lernen - Gehirnforschung und die Schule des Lebens. Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2002, S. 76

[4] Vera F. Birkenbihl: Trotzdem Lehren. Gabal Verlag Offenbach 2004, S.70

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