Von Lernlust statt Lernfrust
erzählen die Schülerinnen Alma, Jamila und Lara-Luna
Alle
3 Schülerinnen gehen auf eine 2007 gegründete Gemeinschaftsschule in Berlin,
deren Lernkonzept mehrfach ausgezeichnet wurde. Mit der Unterstützung des
Journalisten Uli Hauser haben sie ihre Vorstellungen von einer Schule, die Spaß
macht, aufgeschrieben und wie sie dies in der Evangelischen Schule Berlin
Zentrum (ESBZ) umsetzen.
In
Form von Fragen und Antworten beschreiben sie den Aufbau der Schule und das
Lernen in dieser. Die Gemeinschaftsschule beginnt mit der 7. Klasse und endet
nach der 10. Klasse (in Berlin dauert die Grundschule 6 Jahre).
Interessante
Merkmale der Schule sind:
Von
der 7. bis 9. Klasse gibt es keine Unterteilung der Jahrgänge. In der 10.
Klasse wird nicht mehr jahrgangsübergreifend gearbeitet.
Es
gibt kaum Frontalunterricht. Für die Fächer Mathe, Deutsch, Englisch sowie
Natur und Gesellschaft gibt es Lernbüros (eine Art Klassenzimmer). Von 8:30 bis
10:00 Uhr wählen die Schüler aus, in welchen der Fächer sie weiterkommen
wollen. Karteikästen können die Schüler einen Aufgabenkomplex entnehmen und
bearbeiten. Falls sie Probleme haben, sollen sie sich zuerst an andere Schüler
wenden und ansonsten an den Lehrer, der im Lernbüro sitzt. Hat man die Aufgabe
erledigt, gibt man dem Lehrer die Aufgaben, der diese korrigiert. Entsprechend
des Ergebnisses, gibt er Empfehlungen, ob noch mehr zu diesem Thema geübt
werden muss.
Den
restlichen Vormittag treffen sich die Schüler in Klassenräumen und haben Fächer
wie Soziales Lernen, Religion, Sport, Naturwissenschaften, Lesestunde oder
Klassenrat oder eine weitere Fremdsprache.
Der
Unterricht geht bis 15:45 Uhr.
Einen
Test schreibt man, wenn man einen Baustein, zum Beispiel in Mathe, erledigt hat
und sich sicher fühlt. Dann macht man mit dem Lehrer einen Termin dafür aus.
Ansonsten kann man noch mehr Übungsaufgaben machen oder sich vom Lehrer das
eine oder andere erklären lassen.
Das
Zeugnis der Schüler ist eine mehrseitige schriftliche Bewertung. Bis zur 8.
Klasse werden keine Noten vergeben.
Jeder
Schüler muss ein Logbuch führen, in dem er festhält, was er in jeder Stunde
gemacht hat und wie er sich einschätzt. In dieses Logbuch tragen Lehrer auch
Verfehlungen des Schülers ein.
Jeden
Freitag gibt es eine Vollversammlung, bei der Schüler durch das Programm führen.
Es wird über aktuelle Ereignisse und Probleme gesprochen.
Donnerstag
ist Projekttag. Hier dürfen die Schüler ein selbst ausgedachtes Projekt vorantreiben,
um zum Beispiel ihre Träume umzusetzen. Es wird geschildert, dass die
Autorinnen interessiert hat, wie Pralinen hergestellt werden. In dem Zweimonatsprojekt,
das hieraus entstanden war, entwickelten die Schüler eine neue Praline mit
schöner Verpackung und sogar einem Werbekonzept. Auch ein Schoko-Tasting bei
einer Fachfrau war Teil des Projektes.
Mindestens
2 Stunden pro Woche sollen die Schüler Verantwortung übernehmen. Das kann der
Besuch eines Altenheims sein, um sich mit alten Menschen zu unterhalten. Das
kann aber auch Nachhilfe für Grundschüler mit Lernschwierigkeiten sein.
Einmal
im Jahr stellen sich die Schüler einer dreiwöchigen Herausforderung, die darin
besteht, egal was sie machen, höchstens 150 € pro Person auszugeben. Jeweils
ein Betreuer begleitet die 2 bis zumeist 6 Schüler auf ihrem Trip, mischt sich
aber nicht ein. Zumeist machen die Schüler mehrtägige Wanderungen. Eine Gruppe
verbrachte die Zeit in einem Mittelalter-Dorf.
Neben
den Schülerinnen kommen auch die Leiterin, Elternbeiräte und Unternehmen zu
Wort.
Das
Buch schließt ab mit einem Fragebogen an Schüler. Hier geht es darum, wie
zufrieden die Schüler an ihrer eigenen Schule sind.
Es
war interessant, das Buch zu lesen und von dem Konzept der Schule zu erfahren.
Es ist eine Schule, in dem die Schüler häufig Wissen dadurch erwerben, dass sie
etwas selbst machen. Und sie müssen wesentlich mehr Verantwortung als in
anderen Schulen übernehmen - für sich selbst und teilweise für andere. Das,
finde ich, ist sehr vielversprechend.
Das
Buch ist verständlich geschrieben, allerdings gibt es einige Wiederholungen und
ich hätte es bevorzugt, wenn das Konzept der Schule in einer Tabelle am Schluss
des Buches zusammengefasst worden wäre, da einem so etwas Überblick fehlt.
Entgegen des Eindrucks, welches die Beschreibung des Buches andeutet, geht es
weniger darum, wie sich die Schülerinnen ihre ideale Schule vorstellen und
welche Ideen sie dazu entwickelt haben.
Die
Schule wird in diesem Buch nur positiv beschrieben. Eine sachliche Einschätzung
der Vor- und Nachteile und mit welchen Problemen die Schule eventuell zu kämpfen
hat, hätte ich bevorzugt. Einige Fragen bleiben offen: Für wen ist diese Schule
nicht geeignet? Gab es Schüler, die mit diesem System nicht zufrieden waren? Wie
ist der durchschnittliche Leistungsstand nach der 10. Klasse? Ich habe auch
bedauert, dass kein Junge an dem Buch mitgeschrieben hat. - Ich vermute, dass Jungen
zu manchen Themen andere Einschätzungen haben als Mädchen. Für mich ist auch
nicht verständlich, wieso Englisch ein Lernbüro-Fach ist, bei dem die Schüler
hauptsächlich schriftlich alleine etwas erarbeiten sollen. Es gibt zwar noch
einen Englisch-Konversations-Club, aber ich bin mir nicht sicher, ob dies die
beste Möglichkeit ist, eine Sprache zu erlernen.
Ich
habe meine beiden eigenen Kinder, die keine Notenprobleme haben,
danach gefragt, wie sie mit ihren Schulen zufrieden sind. Die Antwort war eher
ernüchternd. Meine Tochter (10 Jahre) fand, dass das ESBZ-Konzept interessant
klingt und dass sie sich durchaus vorstellen könnte, auf eine solche Schule zu
gehen. Mein Sohn (14 Jahre) war da skeptischer. Er schätzt „sein“ System
(G8-Gymnasium) als effizienter ein. Er meinte, Jungs seien faul und sich selbst
zu motivieren sei schwieriger als zum Lernen gezwungen zu werden. Interessant
am ESBZ-System fand er die Projekte. Er würde beispielsweise gerne mit einer
Gruppe einen Roboter bauen.
Die
Schüler dieser Schule berichten Lehrern anderer Schulen von dem Konzept ihrer
Schule. Von Unternehmen werden sie als selbstbewusst und reif für ihr Alter
eingeschätzt. Das kann im Leben viel wert sein, allerdings nur, wenn hinter dem
selbstbewussten Auftreten fundiertes Wissen, die Fähigkeit zu strukturiertem
Arbeiten und praktische Lösungsfähigkeit stecken.
Zum
Thema Chancen bei Unternehmen: Meine Erfahrung mit Bewerbungen ist, dass zwar
auf die sogenannten Soft Skills geachtet wird, dass aber erst mal nur Bewerber
in die engere Auswahl kommen, die ausgezeichnete Noten haben.
Zum
Thema Noten: Meine Erfahrung in der Arbeitswelt ist, dass Zeugnisnoten oft mit
den Arbeitsergebnissen in den entsprechenden Themenbereichen korrelieren.
FAZIT:
Viele Ansätze dieser Modellschule sprechen mich sehr an und die Schülerinnen
haben gut vermitteln können, was ihnen an dieser Schule gefällt. Ein bisschen
mehr Struktur und einen etwas kritischeren Blick auf das Konzept hätte ich noch
besser gefunden.
4 von 5 Sternen
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